Am 31.12.2023 starb
in seiner Wahlheimat Kanada unser am 08.01.1921 in Fürth geborener
Freund Willie Glaser.
Im Jahre 2000 nahm er mit uns per E-Mail (Willie fuchste sich mit Feuereifer
in die Computer- und Internettechnik hinein) Kontakt auf. Bereits 2001
kam es zu einer Kooperation auf rijo-research.de, der zahlreiche
weitere folgten (s. Zusammenstellung
anlässlich seines 100. Geburtstags). Er wurde so zu einem Pionier
der Darstellung der jüdischen Geschichte seiner Heimstadt im WWW
auf Deutsch und Englisch.
Zum ersten persönlichen Treffen kam es 2006 anlässlich seines
Besuchs in Fürth. Der Eindruck, den schon seine Mails vermuten ließen,
bekam ein Gesicht: Mit seinem unnachahmlichen Lächeln, stilvollen
Auftreten alter Schule, seiner Intelligenz, positiven Ausstrahlung und
melodisch sanften Stimme, die als Spiegel seiner Biografie fränkische,
polnische und englische Elemente in sich vereinte, wickelte Willie jeden
und jede um den Finger, auch auf unserer überfüllten Zeitzeugenveranstaltung
2013 in Nürnberg, bei der die Anwesenden trotz des ernsten Themas
seinem Charme verfielen. Dies war unsere letzte Begegnung mit ihm.
Die andere Seite von Willie Glasers Charakter bestand aus Zähigkeit,
Hartnäckigkeit, Akribie und brennender Wahrheitsliebe. Er ruhte nicht
eher, bevor er alle verfügbaren Fakten zum Tod seines Vaters, seiner
Mutter und Geschwister zusammengetragen hatte, die von den Nazis umgebracht
worden waren. Hierfür unternahm er 2008 eine körperlich und
seelisch anstrengende Reise nach Polen, wo er die vermutlich letzten Lebensstationen
seiner Familie besuchte. Doch trotz des traumatischen Verlusts der meisten
Angehörigen in der Schoa empfand er nie pauschal Hass auf das Volk,
aus dem die Täter kamen. Ein weiterer Schicksalsschlag war der Verlust
seiner Frau Jean, die er zuvor jahrelang aufopferungsvoll gepflegt hatte.
Willie konnte nie untätig sein. So stellte er dem Archiv des Canadian
Jewish Congress lange Zeit seine sprachlichen und geschichtlichen Kenntnisse
als freiwillige Hilfskraft zur Verfügung. Bis ins hohe Alter behielt
er Lebensfreude und Unternehmungsgeist: Die jährliche Karibikkreuzfahrt
gehörte ebenso dazu wie seine Unabhängigkeit in Form des Führerscheins.
Mit Willie Glaser verlieren wir einen weiteren Menschen aus der großartigen
Generation, die, zuvor gedemütigt und vertrieben, gegen den Faschismus
gekämpft und ihn besiegt hat. Wir können nur hoffen, dass wir
ihres Erbes würdig sind.
Adé, Willie! Do widzenia, Wilusch!
|